INZEST - Sexuelle Übergriffe des Bruders




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INZEST - Sexuelle Übergriffe des Bruders

Ungelesener Beitragvon gsg04 » 06.08.2006, 17:38

Sexuelle Übergriffe des Bruders
Die Beratungsstelle Castagna macht ein Thema publik, das noch immer tabu ist: sexuelle Übergriffe unter Geschwistern. Nicht zu verwechseln mit dem altersgerechten «Dökterle».


Von Martin Gmür

Genaue Zahlen, sogar Schätzungen fehlen. Selbst die Fachfrauen der Beratungsstelle Castagna wissen nicht, wie häufig Missbrauch unter Geschwistern vorkommt. Studien, Untersuchungen und Fachliteratur gibt es nur wenig. Doch als Radio DRS kürzlich zu bester Sendezeit ein Interview zum Thema ausstrahlte, meldeten sich bei Castagna mehr als 50 Personen, die in der Kindheit von Geschwistern missbraucht worden waren. Eine deutsche Fachfrau sagte kürzlich in Zürich: Bis zum Alter von elf Jahren sind es Mädchen und Jungen gleichermassen, die ihre Geschwister missbrauchen, über elf sind es fast nur männliche Jugendliche. In einer älteren amerikanischen Studie gaben 15 Prozent der befragten Frauen und 10 Prozent der Männer an, sexuelle Erfahrungen mit Geschwistern gemacht zu haben.

Doktorspiele sind kein Inzest

Nun gibt es unter Kindern und Geschwistern aber auch Doktorspiele, bei denen sie das Geschlecht erforschen und erfahren. «Doktorspiele sind entwicklungsgerechte, lustvolle und vergnügliche sexuelle Handlungen unter Kindern, die beide Beteiligte absolut freiwillig vornehmen», sagt Regula Schwager, Psychologin und Therapeutin bei der Beratungsstelle Castagna. Geschwisterinzest aber gehe übers «Dökterle» hinaus und unterscheide sich in mehreren Punkten: Altersunterschied und Machtgefälle zwischen den Geschwistern, Gewalt, Zwang oder Bedrohung sowie Penetration oder irgendeine Art von Verletzung. «Das gibt es bei Doktorspielen nicht», sagt Schwager.

Die Mutter fühlt sich schuldig

Regula Schwager und die Sozialpädagogin Marie-Louise Pfister haben im Jahresbericht der Castagna zwei Artikel zum tabuisierten Thema geschrieben. Und eine Mutter, deren Sohn die Schwester missbrauchte, hat einen Erfahrungsbericht für das Heft verfasst - nach langem Zögern: «Ich schämte mich und hatte das Gefühl, als Mutter versagt zu haben. Ich fühlte mich schuldig, dass das Leben meiner Kinder durch diese Erfahrung belastet ist.»

Viele betroffene Eltern würden so reagieren wie diese Mutter, sagt Schwager: «Sie empfinden sich als schuldig an der Katastrophe, die über die Familie hereingebrochen ist. Gleichzeitig bagatellisieren viele das Ganze, indem die sexuelle Ausbeutung eben als Doktorspiel abgetan wird.» Noch häufiger als Wegschauen sei «massiver Widerstand» von emotional überforderten Eltern. Doch alle müssten sich der Realität stellen, die für das Opfer besonders hart sei, sagt Regula Schwager: «Durch die Aufdeckung der sexuellen Ausbeutung verliert das Opfer oft die ganze Familie.»

Als vorrangig hat sich laut Schwager erwiesen, das Opfer sofort und absolut vor weiteren Übergriffen auch an anderen im Haushalt lebenden Geschwistern zu schützen. Meistens bedeutet dies, den Täter von den Geschwistern zu trennen. Auch in der Familie, deren Mutter ihre Erfahrungen schildert, platzierte die Vormundschaftsbehörde den 17-jährigen Sohn und Täter in einem Heim. Unbeaufsichtigter Kontakt mit seiner vier Jahre jüngeren Schwester war ihm verboten.

«Melanie reagierte zuerst verwirrt und wollte auf keinen Fall darüber reden, sie wollte auch nicht in eine Psychotherapie», erinnert sich die Mutter. «Für mich am unverständlichsten war, dass sie unter der Trennung von ihrem Bruder litt.» Das Opfer habe meist starke Schuldgefühle, das Familiensystem mit dem Geständnis durcheinander gebracht zu haben, erklärt Schwager. Oft brauche es sogar eine weite räumliche Trennung: «In vielen Fällen können sich die Opfer erst dann vom Täter lösen.»

Das Opfer steckt in einem Dilemma

Betroffene Kinder seien oft voller Schuldgefühle, Scham, Verzweiflung und belastet durch das Schweigegebot sowie durch die Angst vor neuen Übergriffen. Gleichzeitig sei der Täter die einzige Stabilität und die einzige Quelle der Geborgenheit, schildert Schwager das häufige Dilemma der Opfer und erzählt ein Beispiel aus der Praxis: «Eine 12-Jährige suchte bei Castagna Hilfe und bezeichnete trotz allem ihren schwer gewalttätigen 18-jährigen Bruder als den einzigen Menschen auf der Welt, der sie wirklich liebe.»

Gibt es spezifische Familiensituationen und -konstellationen, in denen Geschwisterinzest eher vorkommt als in anderen? «In Familien, in denen die Eltern für ihre Kinder nicht erreichbar sind, kommt es eher dazu», sagt Schwager. Womöglich sei das Elternpaar oder ein Elternteil überfordert von eigenen, unlösbaren Lebensproblemen, womöglich erlitten sie selber Traumatisierungen. In solchen Familien, so Schwager, seien die Kinder oft gezwungen, Funktionen zu übernehmen, die nicht kindgerecht sind - «beispielsweise die Elternrolle für kleinere Geschwister».

Tages-Anzeiger Zürich vom 05.08.2006
Wer die Augen vor sexueller Gewalt verschließt, macht sich mit schuldig!
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